Frankreich
Claude Lorius
Balzan Preis 2001 für Klimatologie
Claude Lorius wurde 1932 (†2023) in Besançon geboren. Als Forscher und danach Direktor am CNRS in Grenoble hat Lorius, Mitglied der Académie des sciences, an mehr als zehn Polarexpeditionen, größtenteils in der Antarktis, teilgenommen. Sein Ruf auf dem Gebiete der Klimatologie gründet sich vornehmlich auf seinen Forschungen über das Eis. Man verdankt ihm die Entdeckung, daß die im Eis seit Jahrtausenden eingeschlossenen Luftblasen etwas über die Zusammensetzung der Atmosphäre der Vergangenheit aussagen können, daß die isotopische Zusammensetzung des Eises seine Temperatur im Moment des Herabstürzens anzeigen kann oder daß es dank besonderer Analysemethoden möglich ist, den Luftdruck zum Zeitpunkt der Eisbildung zu bestimmen. Informationen wie diese sind von fundamentaler Bedeutung, um die Klimaentwicklung Jahrtausende weit zurück rekonstruieren zu können. Sie sind ebenso wichtig, um die enge Beziehung zwischen dem Klima und dem sog. „Treibhauseffekt“ und seiner Verursachung durch den Menschen verstehen zu können. Lorius war einer der ersten Wissenschaftler, der auf diese Gefahr hingewiesen und vor den Gefahren der aktuellen Erwärmung des Planeten gewarnt hat.
Claude Lorius gehört zu den Pionieren, die neue Methoden entwickelt und angewandt haben, um aus Eiskernen das einstige Klima zu bestimmen. Analysen zum Nachweis von Isotopen wie Sauerstoff-18 und Deuterium im Eis haben ihm Rückschlüsse auf atmosphärische Temperaturen erlaubt. Luftblasen im Eis erbrachten Informationen über den Gehalt von „Treibhausgasen“ wie Kohlendioxyd und Methan oder von Aerosolen.
Die Analyse der Eiskerne aus der Antarktis und Grönland hat nicht nur bewiesen, dass die Zusammensetzung der Erdatmosphäre grosse und genau bestimmbare Schwankungen erfahren hat, sondern auch, dass diese Schwankungen mit drastischen Klimawechseln zwischen Warm- und Glazialphasen zu korrelieren sind.
Lorius war die treibende Kraft bei der Erforschung der Eiskerne in der Antarktis, einer russisch-französischen Zusammenarbeit. In der Forschungsstation Vostok wurden 1982 durch Bohrungen ca. 2100 m Eis gekernt, was einem Zeitraum von etwa 140.000 Jahren entspricht. Im Jahre 1999 wurden 3623 m Eiskerne zu einem Klimaarchiv für 420.000 Jahre, mit Wechseln zwischen Warm- und Glazialzeiten bei 18.000, 135.000, 245.000 und 335.000 Jahren. Dieses Ergebnis stützt die Auffassung, dass Veränderungen der Erdbahnparameter Schwankungen in der Intensität der Sonneneinstrahlung bewirken, die ihrerseits wiederum die natürlichen Klimaschwankungen auslösen.
Zu den wichtigsten Ergebnissen von Lorius‘ Forschungen gehört die Erkenntnis, dass unsere derzeitige Warmzeit, verglichen mit allen bisherigen, ein „Interglazial“ von äusserst langer Dauer und Stabilität ist. In der Vergangenheit gab es wiederholte, plötzliche und drastische Temperaturveränderungen, die sich innerhalb von Jahrzehnten abspielten. Schliesslich stellte er fest, dass die heutige Konzentration von Treibhausgasen wesentlich höher ist als in den letzten 400.000 Jahren, was schwierig zu erklären wäre, wenn man nicht für die letzten 200 Jahre die Einwirkung des Menschen mit einbeziehen würde.
Lorius war und ist an der vordersten Front dieser Forschungen, die weltweite Bedeutung besitzen. Er hat an 22 Polarexpeditionen teilgenommen und ist ein ausgezeichneter Organisator von multidisziplinärer Teamarbeit wie bei internationaler wissenschaftlicher Kooperation. Dadurch konnte er zum Vater einer neuen Wissenschaftlergeneration auf diesem Gebiet werden.