Schweiz/USA
Michael N. Hall
Balzan Preis 2024 für Biologische Mechanismen des Alterns
Anfang der 1990er Jahre machte sich Michael Hall auf die Suche nach dem Wirkungsmechanismus des immunsuppressiven Wirkstoffs Rapamycin, einer natürlichen Substanz, die von einem Bakterium produziert wird, welches auf Rapa Nui (Osterinsel) gefunden wurde. Dabei entdeckte er zwei Gene, die eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Zellwachstums spielen. Er nannte diese Gene Target of Rapamycin 1 and 2, die heute als TOR1 und TOR2 abgekürzt werden.
Als nächstes konzentrierte sich Michael Hall auf die zelluläre Funktion von TOR. In einer Reihe von bahnbrechenden Arbeiten zeigte er, dass TOR-Proteine das Zellwachstum kontrollieren, indem sie die Zufuhr von Nährstoffen erkennen. Dies führte zu einem Paradigmenwechsel auf diesem Gebiet, da man bis zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass die Zellgröße nur durch die Zufuhr von Nährstoffen begrenzt und nicht aktiv reguliert wird. Die Entdeckung, dass TOR ein Hauptregulator des Zellwachstums und der Reaktion des Stoffwechsels auf Nährstoffe ist, veränderte unser Verständnis des Zellwachstums und führte zu einem molekularen Verständnis vieler wachstumsbezogener zellulärer Prozesse, einschließlich des Alterns.
Später entdeckte er, dass TOR1 und TOR2 zwei große Proteinkomplexe bilden, die als TORC1 und TORC2 bekannt sind und sich strukturell und funktionell unterscheiden. Diese Komplexe sind von der Hefe bis zum Menschen evolutionär konserviert und heute unter dem Namen mTORC1 und mTORC2 (mechanistic Target of Rapamycin 1 and 2) bekannt. Sie passen das Zellwachstum auf die Zufuhr von Nährstoffen an und geben viele externe Signale (wie z.B. Hormone) ab, indem sie das Gleichgewicht zwischen der Aktivität katabolischer (abbauender) und anabolischer (aufbauender) Stoffwechselwege steuern. mTORC1 und mTORC2 partizipieren in zwei verschiedenen Signalwegen, die unterschiedliche zelluläre Prozesse steuern. mTORC1 reguliert das Zellwachstum und den Stoffwechsel, indem es die Synthese zellulärer Komponenten wie Proteine, Fette und Nukleinsäuren steuert, die für das Zellwachstum benötigt werden. Die Aktivierung von mTORC1 hemmt auch die Autophagie, d.h. den Prozess dank dem Abfallproteine und andere zelluläre Komponenten abgebaut werden. Eine gestörte Autophagie kann für die Zellen schädlich sein und zu altersbedingten Krankheiten wie Diabetes führen. Im Gegensatz dazu reguliert mTORC2 die Zellproliferation und das Überleben. Vor kurzem hat Michael Hall in gemeinsamen Studien hochauflösende atomare Strukturen von mTORC1 und mTORC2 erstellt, die unser Verständnis dieser komplexen Funktion verbessern.
Michael Halls Arbeit hatte vielfältige Auswirkungen auf die Erforschung des Alterns. Seine Entdeckung, dass TOR1 durch Rapamycin gehemmt wird, erklärt, warum Rapamycin die Lebensspanne in mehreren Tiermodellen verlängert. Ebenso liefert sein bahnbrechender Nachweis zur Aktivierung von TOR1 bei Nährstoffzufuhr eine mechanistische Erklärung dafür, wie Ernährungseinschränkungen die Lebensspanne verlängern: Sie tun dies durch Hemmung der mTORC1-Aktivität. Eine Dysregulation von mTOR führt auch zu vielen Alterskrankheiten wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er hat kürzlich gezeigt, dass eine Fehlregulierung von mTORC2 die Krebsentwicklung über die Synthese von Lipiden fördert, die für das Wachstum und die Energieproduktion wichtig sind.
Michael Halls bahnbrechende Entdeckung der TOR-Proteine begründete ein wichtiges neues Forschungsgebiet, das heute sehr groß geworden ist. Er steht seit über 30 Jahren an der Spitze dieses Feldes. Seine Studien haben einen Mechanismus zur Verlängerung der Lebensspanne durch eine eingeschränkte Ernährung geliefert und dazu beigetragen, grundlegende und klinisch wichtige Mechanismen in der Biologie des Alterns aufzuklären.