Pakistan/India

Abdul Sattar Edhi

Balzan Preis 2000 für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern

In Anerkennung seines lebenslangen Einsatzes für die Aermsten der Armen, seines Engagements für den Frieden sowie für seine unermüdlichen Bemühungen die Hilfsbedürftigen, um die sich niemand kümmert, aufzufinden und ihnen selbstlos beizustehen.

Abdul Sattar Edhi (1928 – 2016) ist der Gründer der Stiftung-Edhi, Karachi, Pakistan.

Er stammt aus der Familie Edhi, die zu den Memons gehört, einer islamischen, ursprünglich in Indien lebenden Bevölkerungsgruppe. Sein Vater, Abdul Shakoor Edhi, arbeitete als Geschäftsmann in Bombay, und seine Familie lebte in Bantva, im indischen Staat Gujarat. Von der schweren Krankheit seiner Mutter tief beeindruckt, half Abdul Sattar bereits als Kind in einer ambulanten Arztpraxis seines Viertels: Er verteilte Medikamente, half Behinderten und von ihrer Familie Verstossenen. Dieser Tätigkeit opferte er teilweise sogar seine Schulbildung, so dass er einige Jahre lang nicht am Unterricht teilnehmen konnte.
Als die britische Kolonialherrschaft endete und das Land unabhängig wurde (mit der daraus sich ergebenden Teilung in die Staaten Indien und Pakistan), emigrierten die Memons aus Bantva nach Pakistan, und als sich die Familie Edhi in Karatschi niederliess, war Abdul Sattar fünfzehn Jahre alt.

1951 kaufte Abdul Sattar Edhi von seinen Ersparnissen ein kleines Geschäft in Mithadar und richtete dort für Hilfsbedürftige eine Erste-Hilfe-Station ein. An der Fassade hängte er ein Schild auf: „Die aus Nächstenliebe geben, seien gesegnet. Die nichts geben, seien trotzdem gesegnet.“ Den Spendern wurde eine Quittung ausgestellt, und es wurde ihnen versichert, dass sie ihr Geld zurückerhielten, falls sie es sich anders überlegen sollten. Abdul Sattar Edhi verkaufte Medikamente preiswerter als die Apotheken und stellte einen Arzt ein. Um medizinische und pharmakologische Grundkenntnisse zu erwerben, arbeitete er morgens in einem Krankenhaus und in einer Apotheke, aber er besuchte auch Buchhaltungskurse. Den Rest des Tages verbrachte er in der durchgängig geöffneten Praxis, wo er mit allen möglichen menschlichen Situationen, darunter auch verzweifelten Fällen, konfrontiert wurde.
Da er sich der Lage der Frauen in der pakistanischen Gesellschaft bewusst war, gliederte er der ambulanten Praxis eine von einer Frauenärztin geleitete Entbindungsstation an und begann Krankenschwestern auszubilden. 1957 brach eine Epidemie, die sogenannte „Hongkong Grippe“, aus, und Abdul Sattar Edhi erhielt für seine dabei geleistete Arbeit eine erste offizielle Anerkennung. Kurze Zeit später verbesserte sich dank der grosszügigen Spende eines Industriellen von 20.000 Rupien die finanzielle Situation des Ambulatoriums entscheidend. Edhi kaufte von dem Geld einen gebrauchten Kleinlastwagen, der sofort als ambulante Praxis eingesetzt wurde.

1958 erhielt er eine beträchtliche Summe von seinem Vater, die er gewinnbringend anlegen konnte. Er selbst führte ein sehr bescheidenes Leben, besass kein Haus, sondern wohnte statt dessen in der Praxis. Eine finanzielle Unterstützung seitens der Regierung hat er stets abgelehnt, weil er sonst Geld, das dem Volk gehörte, hätte in Anspruch nehmen müssen.
Nach einem kurzen Zwischenspiel als Parlamentarier, beschloss Abdul Sattar Edhi 1964, sich künftig ganz seiner Praxis zu widmen.

Während des indisch-pakistanischen Krieges 1965 arbeitete Edhis Team im Kampfgebiet rings um Karatschi: Es kümmerte sich um Verwundete und Vermisste und begrub die Toten. Nach Kriegsende heiratete er ein junges Mädchen mit Namen Bilquis, das seitdem sein Leben teilt. Im Laufe von vier Jahren bekam das Paar drei Kinder und adoptierte ein viertes. 1974 wurde der Abdul-Sattar-Edhi-Trust als Unternehmen eingetragen und die Edhi-Stiftung ins Leben gerufen.
Nach einem schweren Autounfall beschloss Abdul Sattar, seine Tätigkeit auf das gesamte Land auszudehnen. Überall wurden kleine Edhi-Zentren mit Vorräten an Medikamenten eröffnet. An den wichtigsten Nationalstrassen wurden planmässig alle 100 Kilometer Unfallstationen und ausserdem alle 20 Kilometer weitere kleinere Hilfszentren eingerichtet. Krankenwagen durchfuhren das ganze Land mit der Aufgabe, geisteskranke und hilfsbedürftige Menschen aufzunehmen und ihnen Hilfe zu leisten.
Schon nach kurzer Zeit gab es in den acht Regierungsbezirken des Landes 240 Edhi-Zentren. Mithadar, das Zentrum der Organisation, war per Video und Funk mit den Krankenwagen und den anderen Städten verbunden, was Edhi ermöglichte, die Effizienz seiner Organisation im ganzen Land zu kontrollieren. Zu diesem Zeitpunkt war der ursprüngliche Kleinlastwagen, der als ambulante Station benutzt wurde, schon von einem Fuhrpark von 500 Krankenwagen abgelöst worden, die selbst die entlegensten Gebiete erreichten, um unterschiedslos allen Bedürftigen zu helfen.

Edhi erkannte die Bedeutung einer ambulanten Versorgung auf dem Luftweg und kaufte ein Flugzeug vom Typ Piper. Der Botschafter der Vereinigten Staaten schenkte der Edhi-Stiftung einen mit Geldern aus dem US-AID-Fonds gekauften Hubschrauber. Mitte der neunziger Jahre gehörten zu den Transportmitteln der Organisation 5 Hubschrauber, 5 Flugzeuge und schliesslich sogar 800 Krankenwagen.

Bis 1988 war die Edhi-Stiftung auch das grösste Bestattungsunternehmen für anonyme Tote. Mit Hilfe der Kirchen und örtlichen Tempel konnten auch Nicht-Moslems entsprechend ihrem Glauben bestattet werden.

1990 überstieg die Zahl der von der Edhi-Stiftung unterstützten Personen bereits die 10 Millionen-Grenze, während 2.000 Freiwillige ganztägig für die Stiftung arbeiteten. Daneben beschäftigte sich ein relativ kleines Sekretariat mit der Verwaltung der ungefähr 10.000 aus unterschiedlichen Gründen in den Edhi-Häusern untergebrachten Personen.

1986 wurde Edhi von der Philippinischen Regierung mit dem angesehenen Magasaysay Award ausgezeichnet. Für seine Hilfeleistungen während des Erdbebens in Armenien verlieh ihm die UdSSR später ihren Friedenspreis.

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