USA
Dennis Sullivan
Balzan Preis 2014 für Mathematik (reine/angewandte)
Dennis Sullivan ist Professor an der Staatlichen Universität Stony Brook und an der City University von New York. Er hat an der Universität von Princeton doktoriert, arbeitete an der Warwick University und am Massachusetts Institute of Technology, sowie am Institut des Hautes Etudes Scientifiques in der Nähe von Paris. Alsdann kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück.
Er ist ein außergewöhnlicher Mathematiker, der wichtige neue Wege eröffnet hat, vor allem in der Topologie und den dynamischen Systemen. Seine Beiträge hatten grossen Einfluss auf die Mathematik, und sie werden noch mehrere Generationen von Forschern beeinflussen.
Die algebraische Topologie setzt sich die Erforschung der Topologie mit algebraischen Mitteln zum Ziel. Die Theorie ist außerordentlich nützlich, da die Algebra so eine komplette Beschreibung der Topologie gestattet.
In den Anfängen seiner Karriere war Dennis Sullivan einer der Haupbefürworter der Chirurgie-Theorie (in der Mathematik!). Er leistete einen grundlegenden Beitrag zur „Hauptvermutung“, die sich mit unterschiedlichen Arten der Triangulierbarkeit von Räumen befasst. Ihm gelang auch eine vollständige Klassifizierung der (einfach verknüpften) Mannigfaltigkeiten höherer Dimensionen, deren Homotopie-Typ bekannt ist. Sein Artikel Genetics of homotopy theory and the Adams conjecture stellt einen beträchtlichen Fortschritt dar.
In den letzten Jahren hat er (parallel zu D. Quillen) die Theorie der rationalen Homotopie entwickelt, die als Juwel der Mathematik des zwanzigsten Jahrhunderts gilt. Eine rein algebraische Struktur – Sullivans Minimalmodell – ermöglicht es, den rationalen Homotopie-Typ eines Raumes gänzlich zu rekonstruieren. „Infinitesimal computations in topology“ ist einer der wichtigsten Texte der algebraischen Topologie, nach dem Beispiel der historischen Artikel von Poincaré über die Analysis Situs.
Schließlich formte Sullivan die Theorie der dynamischen Systeme um. Die Studie der holomorphen Dynamik, die von Fatou und Julia am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erstmals aufgenommen wurde, war in Vergessenheit geraten, als Sullivan damit begann, in genialer Weise quasi-konforme Instrumente aus der harmonischen Analyse einzuführen. Dies revolutionierte die Theorie. Unter den Ergebnissen dieser Thematik muss sein „No-wandering domain“-Theorem erwähnt werden, welches ein ganz großartiges Zeugnis für seine genialen Entdeckungen darstellt.
Dennis Sullivan vertritt eine globale und einheitliche Sicht der Mathematik. Ihm verdanken wir zum Beispiel „The Sullivan Dictionary“, worin Theorien verglichen werden, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben: die Dynamik rationaler Brüche und die Klein‘schen Gruppen. Ende der 1970er Jahre formulierten die Physiker Coullet-Tresser und Feigenbaum eine Intuition bezüglich eines Phänomens der Universalität des Übergangs zum Chaos. Sullivan gelang es, das Problem in einen passenden Zusammenhang zu stellen, und dies vor allem mit Analogien zur nichteuklidischen Geometrie zu untermauern. Die Beweise für die verschiedenen Formen der Renormalisierungs-Vermutung, die sich daraus ergaben, verdanken wir größtenteils dem Anstoß Sullivans.
Gegenwärtig arbeitet Dennis Sullivan an der topologischen Theorie der Felder und am Formalismus der String-Theorie. Abermals geht es darum, dank der Leistungsstärke der Algebra die Natur des Raumes zu begreifen. Gemeinsam mit Moira Chas ist Sullivan einer der Begründer der „String Topology“. Sein breites Verständnis der Mathematik brachte ihn dazu, sich auf ganz originelle Weise der Flüssigkeitsdynamik zuzuwenden.
Zusätzlich zu seinem wissenschaftlichen Genius verfügt Dennis Sullivan über die einzigartige Gabe, die Forschung zu beflügeln und junge Leute dafür zu begeistern. Dennis Sullivan hat ein weites neues Feld eröffnet, dessen wichtigste Gebiete es noch zu erforschen gilt. Seine Beiträge haben einen wichtigen Einfluss auf die Mathematiker und die Mathematik insgesamt.