Frankreich/Litauen
Emmanuel Lévinas
Balzan Preis 1989 für Philosophie
Emmanuel Lévinas (1905 – 1995) gilt als einer der originellsten und tiefsten Denker der Gegenwart. Er geht von der Ethik als der grundlegenden Philosophie aus, die den übrigen Teilen der Philosophie ihren Sinn gibt. Seine Wirkung hat sich von der französischsprechenden auf die übrige Welt ausgedehnt und über die Universität hinaus ein breiteres Publikum erfasst.
Emmanuel Lévinas wurde 1905 in Kaunas (Litauen) geboren, das er 1923 verliess, um in Strassburg zu studieren. Die Begegnung zuerst mit den Schriften Husserls, dann mit diesem selbst in Freiburg (1928/29) wurde bestimmend für seine philosophische Arbeit. Er wurde Franzose, übersiedelte nach Paris und setzte seine philosophischen Studien bei Léon Brunschvicg und Gabriel Marcel fort. Mit zwei Meisterwerken De l’existence è l’existant (Paris 1947, 2. Auflage 1978) und Le temps et l’autre (Grenoble-Paris 1947, 3. Auflage Paris 1983) begründete er seinen Ruf als Philosoph.
Die Spannung zwischen der Ontologie und der Ethik wurde das zentrale Thema seiner späteren Schriften: En découvrant l’existence avec Husserl et Heidegger (Paris 1947,3. Auflage 1974), Totalité et infini: Essai sur l’extériorité (Den Haag 1961, 5. Auflage 1984), Humanisme de l’autre homme (Montpellier 1972), Autrement qu’être ce au-delà de l’essence (Den Haag 1974, 1978). Hier wird die Ethik nicht von einer existenziellen Grundlage abgeleitet, sondern als wesentliche, ursprüngliche, grundlegende Struktur der Possenhaftigkeit des Menschen mit der Verantwortung für den Anderen gleichgesetzt.
Der Schlüssel zur Philosophie Lévinas liegt in den biblischen Geboten: „Liebe Gott mit ganzer Seele” und „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst”. Die Gottesliebe in der konkreten Gestalt der Religion manifestiert sich in seinen Arbeiten über das Judentum, aber auch in seinen freundschaftliehen Beziehungen zu katholischen Philosophen. Die “Nächstenliebe”, die er in sein Konzept der “Verantwortung für den Anderen” übersetzt, liegt seinen streng phänomenologischen
Analysen zugrunde und führt zu seiner tiefgründigen, bahnbrechenden Konzeption, die Ethik als transzendentale Grundlage aller Philosophie zu begründen.