Grossbritannien - USA/Deutschland
Fred Hoyle und Martin Schwarzschild
Balzan Preis 1994 für Astrophysik (Evolution der Sterne)
Einer der bedeutendsten Beiträge von Fred Hoyle (1915 – 2001) ist der Beweis, dass alle Elemente, vom Kohlenstoff bis zu schwereren Elementen, durch Nuklearreaktionen in Sternen erzeugt werden können. Er legte den Grundstein zu dieser Erkenntnis im Jahre 1946, als noch allgemein die Meinung herrschte, dass alle Elemente bei der Schaffung des Weltalls entstanden seien. Aus dem Jahre 1954 stammt seine Voraussage (die später bestätigt wurde) eines angeregten Zustands des Kohlenstoffkerns. Dieser angeregte Zustand musste gegeben sein, wenn der aus Helium entstandene Kohlenstoff nicht sofort in Sauerstoff umgewandelt werden sollte, denn dann wäre jegliches Leben im Weltall ausgeschlossen gewesen. In einem klassischen Artikel identifizierte er 1957, zusammen mit E.M. Burbidge, G.R. Burbidge und W.A. Fowler, alle entscheidenden Kernreaktionen und erklärte auch, in welcher Phase der Sternevolution sie erfolgen. Zusammen mit Fowler legte er später die Grundlage des Verständnis dessen, wie die Entwicklung eines Sternes zu einer Supernovaexplosion führen kann, welches der wesentliche Vorgang ist, durch den das im Stern z. T. verbrannte Material wieder in den interstellaren Raum zurückkehrt. Hoyle und Fowler erbrachten auch den Nachweis dafür, dass das Alter der Milchstrasse bestimmt werden kann durch den Vergleich zwischen der theoretischen Produktion von schweren, radioaktiven Elementen und den Beobachtungen. Hoyle erkannte zudem, dass nicht alles beobachtete Helium in Sternen produziert worden sein kann, und er erbrachte zusammen mit Tayler sowie mit Wagoner und Fowler den Beweis, dass die Lösung wahrscheinlich in der Produktion von Helium bereits während der Frühphase des Weltalls liegt.
Auf dem Gebiet der Sternentwicklung studierte Hoyle auch die Ansammlung von interstellarem Material durch Sterne. Obschon man heute zur Erkenntnis gelangt ist, dass dieser Prozess in normalen Sternen nicht von grosser Bedeutung ist, spielen die in diesen Studien entwickelten Ideen eine überaus grosse Rolle in jenen Forschungen die Akkretionsscheiben behandeln. Zusammen mit Lyttleton entwickelte er auch die Vorstellung, dass in kalten Roten Riesensternen eine Diskontinuität in der chemischen Zusammensetzung zwischen dem Zentralkern und dem äusseren Mantel besteht, was die Erklärung für die grossen Radien dieser Sterne liefert.
Hoyles herausragendste Arbeit über die Sternentwicklung publizierte er zusammen mit Martin Schwarzschild; sie betrifft die Entwicklung von normalen Sternen kleiner Masse zu Riesensternen mit sehr grosser Leuchtkraft. Dieses war ein entscheidender Schritt zum Verständnis der physikalischen Prozesse in der Sternentwicklung.
Mit Hazelgrove bewies er, dass das Alter von Sternhaufen aus Untersuchungen der Roten Riesen und ihrer Entwicklung abgeleitet werden kann, und er bestimmte damit einen Wert für das Alter der Milchstrasse, der mit seinen Schlussfolgerungen tiber die radioaktiven Elemente im Einklang war. Schliesslich untemahm er mit Fowler eine erste Studie über die Entwicklung von extrem massereichen Sternen, die ihre Energie aus der Gravitation beziehen. Dieses ist der Vorläufer heutiger Modelle für die Kerne aktiver Galaxien.
Hoyles Gesamtwerk, das sich weit über das Gebiet der Kernsynthese und Sternentwicklung hinaus erstreckt, ist durch einen hohen Grad von Vorstellungskraft und Originalität gekennzeichnet. Mit diesen Eigenschaften sind seine tiefe Kenntnis der Physik und seine grossen mathematischen Fähigkeiten eine fruchtbare Verbindung eingegangen. Sein Werk hat einen sehr grossen Einfluss auf die Entwicklung der Astrophysik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgeübt.
Martin Schwarzschilds (1912 – 1997) wichtigste Beiträge zu unserem Wissen Ober Aufbau und Entwicklung der Sterne betreffen die Struktur der Riesensterne sowie die Beschaffenheit der äusseren Schichten der Sterne, in denen der Transport von Materie nach aussen von grosser Bedeutung ist. Seine theoretischen Arbeiten fanden ihre Ergänzung in der Beobachtung von Sternen und der Sonne. Sein im Jahre 1958 erschienenes Lehrbuch Structure and Evolution of the Stars ist besonders einflussreich gewesen.
Seine frühen Forschungen mit Li Hen und mit Oke über inhomogene Modelle für die Struktur von Riesensternen weisen Parallelen zu denen von Hoyle und Mitarbeitern auf. Einen Durchbruch erzielte Schwarzschild mit einer gemeinsamen Arbeit mit Sandage, welche die erste ausdrücklich zeitabhängige Entwicklung eines Sterns betraf, dessen Wasserstoffvorrat im Kern bereits erschöpft ist, und dies von der “Hauptsequenz” von Gleichgewichtszuständen, in denen der Wasserstoff “verbrannt” wird, bis zur Sequenz der Riesensterne. Der Höhepunkt dieser Forschungen wurde mit dem ausschlaggebenden Artikel erreicht, den er zusammen mit Hoyle publizierte und der die Entwicklung über die gesamte Riesensequenz als eine Reihe von Gleichgewichtszuständen erklärt und bedeutende Erkenntnisse über die Struktur von blauen Sternen des “Horizontal-Astes” in Kugelsternhaufen liefert.
Zusammen mit Härm eröffnete Schwarzschild eine erste Debatte über die späten Entwicklungsstadien von Sternen geringer Masse, in denen sie insbesondere thermische Instabilitäten entdeckten. Sie verfolgten die Entwicklung bis zu dem Punkt, an dem diese Sterne infolge des Massenverlustes die Phase des planetarischen Nebels erreichen, in der sie von einer Hülle aus leuchtendem Gas umgeben sind.
Schwarzschild öffnete den Weg zur präzisen Photographie der Sonne, der Planeten und von Sternensystemen durch die Verwendung von Ballon-getragenen Teleskopen. Mit Teleskopen, die in über 25.000 Metern Höhe und damit oberhalb des Grossteils der störenden Erdatmosphäre eingesetzt wurden, gelang es ihm, die Struktur der Sonnenoberfläche mit grösserer Auflösung zu untersuchen und Randbedingungen für Modelle der Sonne und anderer Sterne geringer Masse abzuleiten. Wichtige Untersuchungen mit Barbara Schwarzschild führten zur Entdeckung der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung von Sternen, die sich in unserer Umgebung mit grosser oder geringer Geschwindigkeit durch die Milchstrasse bewegen. Diese Erkenntnisse erzielten auch Bedeutung für Hoyles Arbeit auf dem Gebiet der Kernsynthese.
Schwarzschilds Arbeit über die Entwicklung der Sterne erforderte physikalischen Scharfsinn, herausragende mathematische Fachkenntnisse, grosse Vorstellungskraft und Präzision bis ins Detail. Sie schloss den Einsatz elektronischer Computer ein, deren Entwicklung in der Mitte der 50er Jahre so weit fortgeschritten war, dass sie für astrophysikalische Zwecke wirkungsvoll eingesetzt werden konnten. Schwarzschilds Beherrschung des Computers als Werkzeug der Forschung ist sowohl den erwähnten Forschungsarbeiten zugutegekommen als auch vielen darauffolgenden Werken. Schwarzschilds Forschung erstreckt sich über vide Gebiete der Astronomie und Astrophysik. Die letzten zwei Jahrzehnte widmete er der Dynamik der Galaxien. Auch hier leistete er Beiträge, die nicht minder wichtig sind als diejenigen, die er auf dem Gebiet der Sternentwicklung erbracht hat.