Niederlande/Deutschland
Heino Falcke
Balzan Preis 2023 für Hochauflösende Bilder von planetarischen Körpern bis zu kosmischen Objekten
Schwarze Löcher bilden die interessanteste und faszinierendste Erscheinungsform der Gravitation. In diesen kosmischen Objekten wird Materie so stark verdichtet, dass sie sich in einem Punkt ohne Ausdehnung konzentriert, der als Dichtesingularität bezeichnet wird. Dieser Punkt ist von einem nahezu kugelschalenförmigen Rand umgeben, der als Ereignishorizont bezeichnet wird und innerhalb dessen die Gravitation extrem stark ist. Licht von Objekten in der Nähe des Ereignishorizonts scheint für einen entfernten Beobachter rotverschoben und die Zeit scheint langsamer zu laufen. Die Schwerkraft innerhalb des Horizonts ist aber schon so stark, dass nicht einmal Licht entkommen kann. Das heißt, aus dem Inneren Schwarzer Löcher können wir keinerlei Informationen erhalten und der Ereignishorizont liegt sprichwörtlich im Dunkeln.
Trotz ihrer Dunkelheit sind Schwarze Löcher die Ursache für eine Vielzahl beeindruckender astrophysikalischer Phänomene, von den gewaltigen Aktiven Galaktischen Kernen (riesigen Galaxien, die ein supermassives Schwarzes Loch mit einer hellen Akkretionsscheibe beheimaten und intensive Strahlung von Radio- bis Gamma-Strahlung aussenden) bis hin zu ruhigen und unbeobachtbaren isolierten Paaren Schwarzer Löcher, die einander umkreisen und schließlich verschmelzen und dabei Gravitationswellen aussenden.
Schwarze Löcher sind sehr weit von uns entfernt, weshalb sie sehr klein erscheinen. Um ihren Horizont von unserer Position aus zu beobachten, muss das Teleskop extrem hochauflösend sein. Ein Bild des Ereignishorizonts aufzunehmen, der das Schwarze Loch in unserer Galaxie umgibt, ist vergleichbar mit dem Fotografieren einer Milbe aus einer Entfernung von 2.000 km.
Was erwarten wir zu sehen und wie können wir ein solches Teleskop bauen? Mit diesen Fragen begann die Arbeit von Professor Heino Falcke. Viele Jahre widmete er der unermüdlichen Verfeinerung der Theorie und sagte vorher, dass das Bild wie ein Ring aus Licht aussehen sollte, mit einem „Schatten des Schwarzen Lochs“, hervorgerufen durch Lichtablenkung und Absorption im Bereich des Ereignishorizonts. Unter anderem dank seiner Pionierarbeiten und seines Charismas gelang es, eine große Gruppe von Astronomen zu überzeugen, ihre Anstrengungen und Instrumente zu vereinen, um ein weltweites Netz- werk von Millimeterwellen-Teleskopen zu errichten, das wie ein sehr großes Radio-Interferometer funktioniert. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengungen war das Event Horizon Telescope (EHT), eigens entwickelt mit dem ehrgeizigen Ziel, das erste Bild vom Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs aufzunehmen, in dem Heino Falcke eine führende Rolle spielte.
Das 2019 veröffentlichte Bild des Schattens des Schwarzen Lochs in M87 war eine Sensation, sowohl für Astrophysiker als auch für die breite Öffentlichkeit. Dieses Bild lieferte uns den bisher schärfsten Blick auf die Umgebung eines Schwarzen Lochs und zeigte deutlich das Vorhandensein eines Ereignishorizonts als dunklen Fleck, der von einem charakteristischen Ring heller Emission umgeben ist, wie von Falcke vorhergesagt. Die Analyse dieses Bildes ermöglichte es den Wissenschaftlern, mehrere Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu testen und ihre Gültigkeit in Situationen zu bestätigen, in denen die Gravitation wesentlich stärker ist, als wir es gewohnt sind. Das Bild bestätigte die Vorhersage der allgemeinen Relativitätstheorie für ein rotierendes Schwarzes Loch (Kerr-Metrik). Die erzielten Ergebnisse schränken mögliche Abweichungen vom no-hair-theorem ein. Die Masse des Schwarzen Lochs innerhalb des Photonenorbits wurde auf 6 Milliarden Sonnenmassen geschätzt.
Später lieferte das EHT auch ein Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße, das als Sgr A* genannt wird. Dies war eine größere Herausforderung, da unser Schwarzes Loch eine tausendfach kleinere Masse besitzt als das in M87 und sowohl Materie als auch Licht den Ereignishorizont in nur wenigen Minuten und Stunden umkreisen, was zu raschen Veränderungen im Erscheinungsbild des hellen Rings führt. Außerdem erschwert die Anwesenheit von interstellarem Gas entlang der Sichtlinie zwischen uns und dem Schwarzen Loch eine scharfe Abbildung.
Diese Ergebnisse gelten als äußerst wichtig für die Astrophysik und die Allgemeine Relativitätstheorie. Sie bilden erst den Anfang von weiterführender Forschung, die sich in den kommenden Jahren entwickeln und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erlauben wird, ein tieferes Verständnis der Natur dieser einzigartigen kosmischen Objekte und der zugrunde liegenden physikalischen Gesetze zu gewinnen. Die neuen Erkenntnisse werden durch die Hinzunahme weiterer Radioteleskope ermöglicht werden, sowohl am Boden als auch im Weltraum.