Deutschland
Josef Pieper
Balzan Preis 1981 für Philosophie
Josef Pieper (1904 – 1997), Professor emeritus der Universität Münster in Westfalen, gilt als einer der grössten katholischen Philosophen unserer Zeit. Seine Laufbahn ist nicht auf die Universität beschränkt. Mit seinen Schriften und Vorträgen vermochte er ein philosophisches Bewusstsein in einem bedeutend weiteren Zuhörerkreis als dem der spezialisierten Wissenschaftler zu erwecken.
Seine Fachkompetenz auf den Gebieten der philosophischen Anthropologie, der Philosophiegeschichte, der Soziologie, wie selbst der Theologie, ist über jeden Zweifel erhaben. Aber was ihn vor allem zum weltweit gelesenen Autor gemacht hat, ist sein besonderes Sensorium tùr die metaphysische Dimension menschlichen Alltagshandelns, der Gefühle, der Tugenden, der Erfahrungen, der Hoffnungen.
Ohne unmittelbar mit der Phänomenologie verbunden zu sein, berührt sich Pieper mit Scheler in seiner Moralphilosophie, die auf Werten und Sinndeutungen, nicht auf Vorschriften und aligemeinen Begriffen beruht.
Die Gedankenwelt Piepers ist streng katholisch, doch verstand er es, sich von diesem Standort zu einer universalen Sicht des Menschen aufzuschwingen und diesen in all seinen existenziellen und geistigen Dimensionen zu erfassen. So kann sich auch der Ungläubige in Piepers Analysen wiedererkennen und Anstösse sowie Anregungen zu eigenen Ueberlegungen finden, um verborgene Strebungen ans Licht zu bringen und eine tiefe Gewissheit zu erlangen, die von Dogmatismus weit entfernt ist.
Vom deutschen akademischen Leben hat er sich eher etwas ferngehalten, indem er Rufe seitens anderer Universitäten ausschlug, vor allem aber infolge des wenig akademischen Charakters seines Werkes, das vorwiegend als essayistisch zu bezeichnen ist. Diese Form beeinträchtigt keineswegs den weiten Horizont und die Gedankenschärfe seiner Philosophie, die gemeinsam mit einer stilistischen Meisterschaft zum Erfolg Piepers beigetragen hat. Man darf deshalb in Pieper einen Philosophen sehen, der nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der öffentlichen Wirkung der Philosophie seinen Platz behaupten wird.