Italien
Luigi Ambrosio
Balzan Preis 2019 für Theorie der partiellen Differentialgleichungen
Luigi Ambrosio ist ein höchst bemerkenswerter Mathematiker, dem wichtige Beiträge im Bereich der partiellen Differentialgleichungen und der Variationsrechnung zu verdanken sind.
Er wurde 1963 in Italien geboren und ist seit 1998 Professor an der Scuola Normale Superiore in Pisa und seit 2019 deren Direktor. Zuvor lehrte er an der Universität Tor Vergata in Rom, danach in Benevento und Pavia. Er wurde mit verschiedenen Auszeichnungen gewürdigt, wie mit dem Preis der italienischen Mathematiker-Vereinigung und dem Fermat-Preis. Er wurde zu Plenartagungen sowohl des Internationalen Mathematikerkongresses als auch des Europäischen Mathematikerkongresses eingeladen. Er ist Mitglied der Accademia dei Lincei.
Partielle Differentialgleichungen beschreiben die Dynamik von Größen, die von mehreren Parametern abhängen, meist von Zeit und Raum. Dafür gibt es viele Beispiele; es kann sich um eine vibrierende Schnur, eine sich ausbreitende elektromagnetische Welle, das Ausfließen einer Flüssigkeit oder ganz allgemein um jedes in Bewegung begriffene Objekt handeln.
Die Variationsrechnung versucht, Kurven oder Flächen zu beschreiben, die eine bestimmte Menge möglichst klein halten. Welche Oberfläche, die innerhalb einer Begrenzungslinie aufgespannt ist, hat beispielsweise die minimalste Fläche? Solch „minimale Oberflächen“ sind analog denen von Seifenblasen. Welche Form sollte ein Flugzeugflügel haben, um den Luftwiderstand zu minimieren? Oder wie leitet man eine große Anzahl von Autos durch eine Stadt, um so wenig Staus als möglich zu verursachen?
Luigi Ambrosios eindrucksvolle Fähigkeit, Analogien aufzudecken, ermöglichte es ihm, zwischen diesen beiden wichtigen Fachbereichen der Mathematik ganz unerwartete Brücken zu schlagen. Seine Entdeckungen konzentrieren sich auf Transportgleichungen und Erhaltungsgesetze, den optimalen Transport, Entwicklungsgleichungen in der Geometrie und der Analysis in metrischen Räumen. Früher suchte man nach „glatten“ Lösungen, die wenig Fluktuationen aufweisen, was leider nicht der allgemeinen Erfahrung entspricht. Seit einigen Jahrzehnten ermöglichen neue Methoden, „raue“ Lösungen zu finden. Diese verdanken wir vor allem Ambrosio. Darin impliziert ist eine tiefgreifende Erneuerung der hoch geschätzten traditionsreichen Infinitesimalrechnung.
Luigi Ambrosio führte mathematische Funktionenräume ein, dank derer unter schwachen Regularitätsbedingungen Analysen vorgenommen werden können. So erweiterte er beispielsweise die Strömungslehre (die in den 1960er Jahren geprägt wurde), um die Existenz minimaler Oberflächen nicht ausschließlich in einem euklidischen Raum zu zeigen, wie es früher der Fall war, sondern in einem beliebigen metrischen Raum. Dieses Ergebnis war sehr überraschend für die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft, welche sich mit dem Studium der geometrischen Maßtheorie befasste.
Erwähnenswert sind auch Ambrosios Arbeiten über die Krümmung der metrischen Maßräume und über die Gradientenflüsse in Räumen, die essentiell wenig regulär sind.
Das Problem des optimalen Transports, das auf Gaspard Monge im Jahre 1781 zurückgeht, besteht darin, eine Massenverteilung so effizient wie möglich in eine andere zu verschieben. Die Geschichte dieses Problems ist lang und ziemlich komplex, doch dank der Beiträge von Luigi Ambrosio sind einige Grundlagen geschaffen worden, um die Existenz von Lösungen in der von Monge beschriebenen Situation definitiv überprüfen zu können.
Luigi Ambrosio hat sich nicht nur einen Namen für seine Entdeckungen in der Mathematik geschaffen, sondern auch als Mentor, der eine Denkschule gegründet und eine Vielzahl von Studenten ausgebildet hat, die heute allesamt an renommierten Universitäten der ganzen Welt tätig sind.