Israel und Deutschland
Michael Evenari und Otto Ludwig Lange
Balzan Preis 1988 für Angewandte Botanik (einschliesslich ökologische Aspekte)
Danksrede – Rom, 17.11.1988 (englisch und deutsch)
Michael Evenari
Your Excellency
the President of the Italian Republic,
Excellencies, distinguished guests,
colleagues and friends,
I am deeply grateful to the Balzan Prize Committee for awarding me this wonderful prestigious prize. I can only hope that I am worthy of it. l thank you not only for giving me this prize. I am especially happy that I receive it together with my friend Otto Lange, my eminent colleague. But you awarded the prize also to a third person, my wife Liselotte. Without her I would never have achieved what I did.
I was moved to read the most humanitarian principles according to which you award the Balzan prizes because there it is written inter alia that you give the prizes „per l’umanità, la pace e la fratellanza fra i popoli“.
This sentence has inspired me not to talk about my scientific achievements which are described in my autobiography, but about the future of mankind which would be secure if it would follow your principles. But this is not the case.
If mankind continues as it does today the genus homo sapiens is doomed because man has become his own worst enemy. The reasons for this are manifold. I will cite only the main one.
Let us draw three imaginary curves. From the moment homo sapiens has appeared on the stage of history the curves of science and technology which are nearly identical rise only very slowly for hundreds of thousands of years. Only during the last 200 years these curves rise sharply and are today nearly asymptotic. We call this “ progress“ forgetting that progress has two faces in opposite directions. It is a „caput Jani“ . At the one hand the application of scientific discoveries are a blessing for mankind but at the other hand there is scarcely a scientific invention which technology has not turned into weapons of killing and destruction.
The third curve concerns the ethical behaviour of men. It is a straight line because emotionally and in our ethical behaviour we do not differ from the first homo sapiens.
This is most astonishing because we were given all the ethical values we need to survive in the ten commandments, :where it is written „Thou shall not kill“, in the old and new testaments where it says: „Thou shall love Thy neighbour as yourself“, and in the teaching of Buddah. We pay only lip service to these values. As long as they are not applied to science and technology we will not survive.
This catastrophy can be prevented if we can raise the curve of our ethical behaviour so that it joins the two other curves and the ethical values given to us wi ll be decisive if deciding how to apply scientific inventions technologically. To succeed we have to be willing to change our ways in at least two main points.
1. The international scientific community has to decree that the young scientists when receiving their degrees swear an Hippocratic oath that they will apply their knowledge only to the good of mankind. The scientific community has at the same time to enforce a law that only it and not the politicians and not any other body has the right to decide how scientific inventions are to be applied technologically.
2. We have to re-form our present educational value system geared to our present sick society. School and University in addition to provide knowledge, have to make it their main aim to educate to the ethical values given to us and their daily application to life. In my experience our youth is ready for this and is willing to bring about a violentless revolution of our ethical behaviour.
I end my talk with the words to the prophet Jesayah: „Awaken, awaken. Loose the fetters of wickedness, let the oppressed go free, cover the naked. Peace, peace to him that is far off and to him that is near. Then shall light break forth as the morning“ .
Otto Ludwig Lange
Herr Präsident ,
Sehr geehrte Damen und Herren der Balzan-Stiftung,
Hohe Festversammlung:
Es gibt eine mittelalterliche Legende , die die Kreuzritter mit nach Europa gebracht haben. In ihr wird von einer wundersamen Blume berichtet, die sich im Heiligen Land findet. Sie wächst in der kargen Negev-Wüste an den Stellen , an denen Maria auf der Flucht nach Ägypten Tränen vergoß. Daran erinnert ihre Eigenschaft , daß sie im trockenen Zustand unansehnlich und verkrümmt ist, daß sie sich aber bei Befeuchten – so die Sage – zu wunderbarer Pracht öffnet. Wir wissen heute, daß diese „Rose von Jericho“, die man tatsächlich im Negev noch find en kann, eine einjährige Wüstenpflanze ist, deren abgestorbene Äste Öffnungsbewegungen ausführen, wenn der winterliche Regen fällt: das ist die Voraussetzung, daß die Pflanze ihre Samen ausstreuen kann. Ganz ähnlich sind auch die in der Negev-Wüste häufigen Flechten auf Regen oder Tau angewiesen. Bei Trockenheit sind sie grau und unscheinbar. Beim Befeuchten quellen sie auf, bekommen Farbe , erwachen zu neuem Leben und Aktivität.
Als Wissenschaftler verbringt man seine Zeit zwischen Instrumenten, Mikroskopen und Computern im grauen Arbeitsalltag – und plötzlich gibt es ein Erlebnis, das einen beglückt und das einem wie der wohltuende Regen nach harter Arbeit in der ausgedörrten Wüste vorkommt! So jedenfalls fühlte ich von Freude erfüllt , als ich die unerwartete Nachricht von der hohen Auszeichnung durch den Balzan-Preiserhielt. Es ist mir ein Bedürfnis, der Stiftung dafür meinen tief empfundenen Dank auszusprechen. Hierin einschließen möchte ich auch das Preiskomitee der Stiftung, denn es ist mir bewußt, daß die Vorbereitung für die Preisverleihung verantwortungsvolle Mühe bedeutet. Ich möchte aber auch derjenigen gedenken, die mir die wissenschaftliche Forschung ermöglichten , die heute hier ausgezeichnet wird : das ist meine Universität Würzburg, das ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft , und das sind meine Kollegen, Mitarbeiter und Studenten , ohne deren Hilfe die Arbeit nicht hätte gedeihen können. Besonders möchte ich aber auch meiner Familie , meiner Frau und meinen beiden Töchtern danken, die auf vieles verzichten mußten damit ich mich ganz mein er Wissenschaft widmen konnte.
Eine ganz besondere Herzensfreude ist es mir daß es mir vergönnt ist, die heutige Ehrung gemeinsam mit Michael Evenari zu erleben, dem ich mich in Freundschaft und in hoher Verehrung verbunden fühle. Es waren einjährige Wüstenpflanzen, wie die „Rose von Jericho“ und es waren die Flechten der Negev-Wüste, die uns zum ersten Mal näher miteinander in Kontakt brachten. Der erfahrene Wissenschaftler lud mich als jungen Privatdozenten nach Jerusalem ein, um über Fragen der Ökologie und der Produktivität der austrocknungsfähigen Organismen des Negev zu diskutieren. Das ist länger als ein Vierteljahrhundert her. Seitdem arbeiten wir zusammen und stehen in ständigem Gedankenaustausch miteinander; ich habe sehr viel von seiner Weisheit lernen dürfen. Es war unserer Asbeitsgruppe vergönnt, mit ihm zusammen auf seiner Versuchsfarm im Negev unsere Untersuchungen ausführen zu können. Dabei ging es darum, das Verhalten der nach dem Sturzwasserprinzip angebauten Kulturpflanzen exakt zu erforschen insbesondere ihre Produktivität und ihren Wasserhaushalt. Unser Ziel war es, mit dem kostbaren Naß am Wüstenstandort – ohne Mangel und ohne Verschwendung – ein Optimum an Ernte, an Nahrung für Mensch und Tier zu erreichen. Mir kam es dabei besonders darauf an, die Wechselwirkungen zwischen der Umwelt der Pflanzen und ihrer Photosynthese, ihrer Stoffproduktion zu ergründen. Dieses Problem hat mich seither in den verschiedensten Klimazonen der Erde beschäftigt.
Mit solchen wissenschaftlichen ökophysiologischen Untersuchungen stehe ich aber nicht allein, und ich möchte meine Freude über den Balzan Preis so auslegen, daß ich stellvertretend für meine gesamte Fachrichtung innerhalb der biologischen Wissenschaft ausgezeichnet worden bin . Ich sehe darin eine Anerkennung und einen Ansporn für unser Bemühen, einen Beitrag für die naturwissenschaftliche Grundlegung der Umweltforschung zu erarbeiten. Das halte ich für eine eminent wichtige und vordringliche Aufgabe heutiger angewandter botanischer Forschung.
Der Mensch hat begonnen mit ungeahnter Intensität und Auswirkung in das Gleichgewicht der Natur auf unserem Planeten einzugreifen und so sein Gesicht zu verändern. Der Intelligenz des Menschen ist es gelungen, immer mehr und hochwertigere Nahrungsmittel zu produzieren , immer mehr Energie nutzbar zu machen, immer schneller fahren und fliegen zu können. Dabei haben wir aber erkennen müssen, daß dafür hohe Preise zu zahlen sind. Starke Düngung und Herbizidanwendung verpesten unsere Flüsse und Seen – die ganze Nordsee und das Mittelmeer sind stark belastet. Die Luft ist durch Schadstoffe, die Exhalationsprodukte der Zivilisationsgesellschaft, verunreinigt. In Mitteleuropa leiden Bäume und Wälder großflächig an der Acidifizierung des Bodens durch den sauren Regen, und in vielen semi-ariden Gebieten führt die landwirtschaftliche Übernutzung zu katastrophaler Bodenerosion. Globale anthropogene Störungen der Atmosphäre lassen weitreichende Klimaveränderungen befürchten. Wissenschaft und Technik müssen Vorstellungen und Verfahren erarbeiten , die dem Menschen Auswege in eine lebenswerte Zukunft weisen .
Bislang wissen wir oftmals noch viel zu wenig über die komplexen und komplizierten Zusammenhänge in der Biosphäre , als daß wir die Konsequenzen menschlicher Eingriffe in das Gleichgewicht unserer Umwelt richtig analysieren und sogar voraussagen könnten . Die Ökologie ist gefordert hierfür die wissenschaftlichen Grundlagen zu erarbeiten. Das gilt im kleinen wie im großen Maßstab. Es mag mit dem Stoffhaushalt einer Flechte in der Negev-Wüste beginnen , die als Indikator für Luftschadstoffe verwendet werden kann; es mag die Kausalanalyse der geschädigten Waldökosysteme in Mitteleuropa betreffen, oder es mag sich um die Simulation großräumiger Verschiebungen von Vegetationszonen durch Klimaveränderungen auf dem Globus handeln. Hier liegen große und schwierige Aufgaben vor uns. Sie sind nicht vom einzelnen Wissenschaftler zu meistern der immer nur Bausteine der Erkenntnis beisteuern kann. Zur Analyse komplexer oder gar globaler Probleme sind die gemeinsamen Anstrengungen vieler Forscher in gegenseitigem Vertrauen und in gegenseitiger Hilfsbereitschaft notwendig, die nicht durch Grenzen getrennt sein dürfen. Daß das im Bereiche der Wissenschaft möglich ist, erleben wir täglich. Es gibt mir die Hoffnung daß dann auch eine einsichtige und vernünftige Menschheit den Willen und die Kraft zur Lösung gemeinsamer Umweltprobleme aufbringt. Durch die Verleihung des diesjährigen Balzan Preise für das Fachgebiet “angewandte Botanik einschließlich Ökologie“ werden wir – ganz im Sinne des Vermächtnisses der Stifterin des Preies – zur Fortsetzung unserer Arbeiten ermutigt. Dafür möchte ich abschließend meine tiefe Dankbarkeit bekunden .