USA/Grossbritannien
Peter und Rosemary Grant
Balzan Preis 2005 für Populationsbiologie
Die 14 auf den Galapagos-Inseln lebenden Finkenarten waren der Ausgangspunkt für Charles Darwins Werdegang und das Erkennen des Prinzips der natürlichen Auslese als Grundlage der Evolution. Auf seiner Weltumsegelung an Bord des englischen Forschungsschiffes HMS Beagle besuchte Darwin die Galapagos-Inseln und kam zu dem Schluss, dass dort beobachtete Finkenarten Gemeinsamkeiten mit den Arten auf dem Festland Südamerikas aufweisen. Er stellte die Hypothese auf, dass die verschiedenen Arten mit unterschiedlichem Schnabel durch natürliche Selektion als Anpassung an die Lebensräume auf den verschiedenen Inseln entstanden waren. Aus Beobachtungen an anderen Arten schloss er, dass die räumliche Trennung der Vogelpopulationen auf den verschiedenen Inseln eine wichtige Voraussetzung für deren unterschiedliche Entwicklung spielte. Dieser Prozess der evolutionären Anpassung als Mechanismus der Entstehung neuer Arten bildete die Grundthese des von Darwin 1859 verfassten Buchs On the Origin of Species (Über die Entstehung der Arten).
Herr und Frau Grant haben Darwins Werk für das 21. Jahrhundert nutzbar gemacht und zwar dank einer aussergewöhnlich langfristigen Studie, für welche sie sich der Mittel und Erkenntnisse der Ökologie, Genetik, Evolution und der Verhaltensforschung bedienten. Ihre Entdeckungen haben Darwins Hypothesen bestätigt und weiter entwickelt. Diese wurden jedoch durch die Analyse der den Darwinschen Hypothesen zu Grunde liegenden Mechanismen in eine zeitgenössische Sprache übertragen und für die moderne Wissenschaft brauchbar gemacht.
Die beiden Forscher haben zunächst gezeigt, wie rasch die natürliche Auslese erfolgen kann. Sie haben entdeckt, dass bei von Jahr zu Jahr wechselndem Nahrungsangebot (infolge der von El Niño verursachten klimatischen eränderungen) eine starke natürliche Selektion die Anpassung der Form und Grösse von Schnabel und Körper bewirkt. In Jahren, in denen die Samen hart sind, haben Vögel mit einem grossen und kräftigen Schnabel einen selektiven Vorteil, in den anderen Jahren trifft jedoch das Gegenteil zu. Zwei Aspekte sind hier von besonderer Bedeutung: a) die Rolle, welche genetische Veränderungen bei der Entstehung dieser ökologisch wichtigen Züge (Form von Schnabel und Körper) bei natürlichen Populationen spielen, ist beträchtlich, und b) derartige Merkmalsänderungen können sich in solchen Populationen sehr schnell entwickeln. Diese zwei Entdeckungen stellten damals für die Evolutionsbiologen eine grosse Überraschung dar.
Als Zweites hat das Ehepaar Grant gezeigt, wie die reproduktive Isolation der verschiedenen Finken-Populationen der Galapagos-Inseln entsteht und wie sich dadurch mit der Zeit neue Arten entwickeln können. Die beiden Forscher haben herausgefunden, dass für die Finkenweibchen der Galapagos-Inseln bei der Wahl eines Partners der Gesang der Männchen ausschlaggebend ist. Sowohl der Gesang als solcher als auch die Vorliebe für einen besonderen Gesang warden von Generation zu Generation durch Anlernen weitergegeben. Der Gesang wird als “kulturelles Erbe” vom Vater auf die männlichen Jungen übertragen. Durch diesen Prozess wird sichergestellt, dass sich die Weibchen nur mit Männchen aus einem vergleichbaren Umfeld paaren. Dies führt zu einer reproduktiven Isolation der Gruppen untereinander und stellt eine grundlegende Voraussetzung zur Artenentwicklung dar. Die reproduktive Isolation der Finkenarten der Galapagos-Inseln ist aber nicht absolut: Gelegentlich entstehen auch Hybride, die dadurch oft, aber nicht immer, selektiv benachteiligt werden. Wenn sie sich mit Erfolg fortpflanzen, tragen sie dazu bei, die Gene unter den Arten zu verbreiten und so die genetische Diversität unter den Populationen nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu verstärken.
Als Drittes haben Peter und Rosemary Grant die Variation der mitochondrialen DNA und die DNA-Mikrosatellitenregionen zum Beweis dafür benutzt, dass die 14 Finkenarten einen einzigen gemeinsamen Vorfahren haben, der vor 2-3 Millionen Jahren auf die Galapagos-Inseln gelangt war. Sie konnten auch ein Gen, Bmp4, identifizieren, das die Entwicklung der Schnabelform beeinflusst und somit eine wichtige Rolle bezüglich der evolutiven Divergenz der Galapagos-Finken gespielt haben könnte.
Die Forschungsarbeit von Herrn und Frau Grant über die Galapagos-Finken gilt allgemein als die vielleicht bedeutendste der letzten Jahrzehnte über den Gang und die Mechanismen der Evolution. Sie wird in allen wichtigen Lehrbüchern zum Thema Evolution zitiert und war Gegenstand eines beliebten naturwissenschaftlichen Werkes mit dem Titel The Beak of the Finch: A Story of Evolution in Our Time von Jonathan Weiner (1994, Alfred Knopf, New York; Der Schnabel des Finken oder Der kurze Atem der Evolution, 1994, Droemer Knaur, München).
Peter und Rosemary Grant sind auf ihrem Gebiet herausragende Wissenschaftler und würdige Träger des Balzanpreises für Populationsbiologie.