Grossbritannien
Quentin Skinner
Balzan Preis 2006 für Geschichte und Theorie des politischen Denkens
Quentin Skinner, Barber Beaumont Professor of the Humanities an der Queen Mary University of London, ist einer der herausragendsten und einflussreichsten zeitgenössischen Forscher im Bereich des politischen Denkens. Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre entwickelte er einen philosophisch-theoretischen Ansatz, in dessen Mittelpunkt der politische Diskurs als Summe von Sprachakten und als Aufgabe der kontextbezogenen Interpretation des Historikers steht.
Dank der methodologischen Instrumente, die durch den Ansatz der Theorie der Sprachakte zur Verfügung standen, hat sich Quentin Skinner ab Mitte der siebziger Jahre in einer beeindruckenden Vielzahl von historischen Studien mit einer neuen originellen Interpretation der Entstehung der politischen Kategorien und Perspektiven während des Spätmittelalters und der frühen europäischen Moderne, allen voran der Entstehung der modernen Staatsidee, befasst. Sein erster grundlegender Beitrag hierzu ist das umfangreiche, 1978 in zwei Bänden erschienene Werk The Foundations of Modern Political Thought. Dieses der Renaissance und Reformation gewidmete Werk gehört nunmehr zu den Klassikern der Geschichte des modernen politischen Denkens.
Im Jahre 2002 veröffentlichte er seine Summa Visions of Politics. Im ersten Band, Regarding Method, sind seine Beiträge zur Theorie der Interpretation des politischen Denkens versammelt. Der zweite Band, Renaissance Virtues, befasst sich hingegen mit der historischen Rekonstruktion des Republikanismus als Theorie der Freiheit und des guten Regierens zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Der dritte Band, Hobbes and the Civil Science, enthält einen sorgfältig durchdachten innovativen Interpretationsvorschlag für das politische Denken von Hob bes, dem bedeutendsten politischen Philosophen Englands. Diesem hatte Quentin Skinner bereits 1996 mit Reason and Rethoric in the Philosophy of Hobbes eine richtungweisende Studie gewidmet.
Ausgehend von dem Aufsatz Liberty before Liberalism (1998), welchem die Antrittsvorlesung als Regius Professor von 1997 zugrunde liegt, hat Quentin Skinner in den letzten Jahren eine theoretische Auffassung verteidigt, die auf der “neurömischen” Idee der Freiheit, verstanden im republikanischen Sinne als Freiheit der Personen gegenüber der Willkürherrschaft anderer, fusst. Vor dem Hintergrund der heutigen Verbreitung des Republikanismus nimmt Quentin Skinner die klassische, von Isaiah Berlins berühmtem Aufsatz ausgelöste Debatte über die positive und negative Freiheit wieder auf, indem er eine dritte Konzeption der Freiheit, verstanden als Unabhängigkeit, einführt, welche uns als Erben die Orientierung in den zeitgenössischen politischen und sozialen Konflikten möglich macht.
Quentin Skinners unermüdlicher Beitrag zur Forschung und Heranbildung von jungen Wissenschaftlern im Bereich der Theorie und Geschichte des politischen Denkens war in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich von einer intensiven Tätigkeit als Herausgeber der bedeutenden Reihe Ideas in Context und Cambridge Texts in the History of Political Thought (Cambridge University Press) begleitet.
Durch sein Gesamtwerk hat Quentin Skinner ein völlig neues Paradigma im Bereich der Theorie und Geschichte des politischen Denkens geschaffen.