Deutschland
Reinhard Jahn
Balzan Preis 2016 für Molekulare und zellulare Neurowissenschaften, einschließlich Aspekte der Entwicklung und Degeneration
Reinhard Jahn, geboren 1950 in Leverkusen, promovierte in den Fächern Biologie und Chemie an der Universität Göttingen. Nach Forschungsaufenthalten an der Yale Universität und im Anschluss an eine Professur an der Rockefeller Universität kehrte er nach Deutschland zurück, um in München am Max-Planck-Institut für Psychiatrie eine Max-Planck-Nachwuchsgruppe aufzubauen. Jedoch erst nach einem weiteren Zyklus in den Vereinigten Staaten als Professor und ‘Associate Howard Hughes Investigator’ an der Yale University fasste er endgültig in Deutschland Fuß, und wirkt seit 1997 als Direktor der Abteilung Neurobiologie am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.
Die synaptische Transmission ist der wichtigste Signalmechanismus, womit die Neuronen unseres Gehirns kommunizieren. Beim Eintreffen eines Nervenimpulses an der Nervenendigung wird dort eine Signalsubstanz, der sog. Neurotransmitter, freigesetzt, indem die Fusion kleiner synaptischer Vesikel mit der Außenmembran der Nervenzelle ausgelöst wird. Die Vesikel enthalten den Neurotransmitter, der dadurch in den engen Spalt zwischen den signalsendenden und signalempfangenden Nervenzellen ausgeschüttet wird. Dieser Prozess, genannt ‚Exozytose’, kann in einer gegebenen Nervenendigung über hundertmal in der Sekunde ablaufen, was einen äußerst effizienten und extrem schnellen Auslösungsmechanismus erfordert.
Reinhard Jahn und seine Mitarbeiter haben entscheidende Beiträge zu unserem Verständnis der molekularen Details dieses Prozesses geliefert. Sie waren maßgeblich bei der Identifizierung des Proteins Synaptotagmin als Ca++-Sensor für die Auslösung der Exozytose beteiligt. Es war seit den 1950er Jahren bekannt, dass ein Einstrom von Ca++-Ionen in das Zellinnere die Transmitterfreisetzung auslöst. Der dafür verantwortliche molekulare Mechanismus, jedoch, war unbekannt, bis Jahn, zusammen mit Südhof, Ca++-Bindeeigenschaften bei Synaptotagmin nachweisen konnten. In den 1980er Jahren verdichtete sich die Evidenz, dass bei einer Vielzahl von Prozessen der Membranfusion ein Komplex, bestehend aus den Proteinen Synaptobrevin, Syntaxin and SNAP-25 (der sog. SNARE-Komplex) beteiligt ist. Die Arbeiten von Jahn und Kollegen lieferten die überzeugendsten Beweise dafür, dass dies auch für die synaptische Exozytose gilt und gaben Aufschluss über den zugrundeliegenden Wirkmechanismus. Sie identifizierten Proteine des SNARE-Komplexes als Angriffspunkte von Clostridientoxinen (parallel zu den Arbeiten von Cesare Montecucco, Padua) und etablierten die letzteren als spezifische Werkzeuge zum Studium der Neurotransmitterfreisetzung. Des Weiteren konnte Jahn die Topologie des Komplexes bestimmen – zunächst durch Immunmarkierung und Elektronenmikroskopie – später, in Zusammenarbeit mit A. Brünger, durch Bestimmung der Kristallstruktur. In jüngeren Jahren hat Reinhard Jahn einen weiteren bahnbrechenden Beitrag geliefert mit einer umfassenden Analyse des Proteoms synaptischer Vesikel. Dies gipfelte in einem 3-dimensionalen molekularen Modell eines synaptischen Vesikels, das inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil bei jeder Neuauflage eines Lehrbuchs der Neurobiologie geworden ist. Zumindest zwei der Entdeckungen von Reinhard Jahn – die Topologie und Struktur des SNARE Komplexes, als auch das vesikuläre Proteom – haben unser Verständnis präsynaptischer Funktion maßgeblich geprägt.