Grossbritannien/Australien
Robert McCredie May
Balzan Preis 1998 für Biodiversität
(1936 – 2020) Mays Werk ist von enormer Bedeutung, da es grundlegende biologische Probleme hinsichtlich der Ursachen und Folgen des biologischen Artenreichtums klären konnte.
Seine frühen Beiträge fasste er in dem einflussreichen Buch Stability and Complexity in Model Ecosystems zusammen, dos die Auffassungen der Ökologen über komplexe und einfache Ökosysteme veränderte. Die Fähigkeit, sich gegen Störungen zu behaupten (“Stabilität”), wird nicht länger als eine automatische Folge der Diversität (“Komplexität”) betrachtet, wie man es in der wissenschaftlichen Literatur noch bis in die siebziger Jahre hinein las, sondern es wird vielmehr klar, dass Gemeinschaften mit einer hohen biologischen Diversität (wie z. B. im tropischen Regenwald) in dynamischer Weise oft instabiler sind und typischerweise verletzlicher auf Störungen reagieren, als es in Systemen mit gemässigtem Klima der Fall ist. Diese Entdeckung führte zu einem Forschungsprogramm, das weiter ausgeweitet wird, mit der Fragestellung, inwiefern das Fortbestehen und die endgültige Erhaltung einer Gemeinschaft von der besonderen Art einer netzartigen Struktur der Nahrungsreserven abhängt. Mays Arbeit hat die Unterschiede zwischen verschiedenen Naturräumen herausgearbeitet und hilft zu verstehen , warum ein höherer Anteil an Arten in gestörten tropischen Naturräumen aussterben könnte als jemals in der Vergangenheit in ähnlich gestörten gemässigten oder borealen Gebieten ausgestorben ist, Allgemeiner gesagt wurde diese Arbeit zum Ausgangspunkt für eine neue Art von Forschung über den Unterschied zwischen “demographischer Stochastik” und “umweltbedingter Stochastik” (von May geprägte Begriffe), über Nahrungsketten, über die relative Häufigkeit oder Seltenheit von Arten, über das Verhältnis zwischen der Anzahl der Arten oder der lndividuen und ihrer Körpergrösse und über die dynamische Reaktion von komplexen Ökosystemen auf bestimmte Arten von Störungen.
Auf der Grundlage solcher Probleme, die aus dem Studium natürlicher Populationen entsprangen, hat May gezeigt, dass einfache nichtlineare Gleichungen eine erstaunliche Reihe von dynamischen Verhaltensmustern aufweisen können, die von stabilen Punkten zu doppelter Verzweigung, die eine Kaskade von stabilen Zyklen erzeugt, bis zu scheinbar zufälligen oder “chaotischen” Fluktuationen reicht (Sein Artikel in Nature aus dem Jahre 1976 ist immer noch die am häufigsten zitierte Arbeit). Diese Anregungen haben wichtige und bis heute weitgehend ungelöste Fragestellungen aufgeworfen, z. B. wie wir Daten über Populationen sammeln und auswerten. Besonders wenn räumliche Fleckenhaftigkeit von Bedeutung ist, können die Populationen leicht anomale Fluktuationen zeigen, sogar in Gebieten, deren Umweltbedingungen vorhersehbar sind. Diese Phänomene haben einen beträchtlichen Einfluss auf die Koexistenz der Arten und den Schutz der Gemeinschaften vor eventuellen Eindringlingen und stellen daher Erklärungsmuster für Biodiversität dar.
In Zusammenarbeit mit Roy Anderson hat May die theoretischen Studien mit den empirischen verbunden, um die Bedingungen zu erforschen, unter denen ansteckende Krankheiten (verursacht durch Viren, Bakterien, Protozoen und Pilzen zusammen mit Eingeweidewürmern und parasitären Insekten)die Anzahl, geographische Verbreitung oder andere ökologische Charakteristiken der örtlichen Flora und Fauna beeinflussen können, Diese Arbeit hat zu Erkenntnissen darüber geführt, sowohl inwiefern ansteckende Krankheiten den biologischen Artenreichtum beeinflussen können als auch hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Biologie der Arterhaltung.
In den vergangenen Jahren war May der führende Wissenschaftler bei der Entwicklung einer Vielzahl von exakten Methoden zur Schätzung der Gesamtzahl aller heue auf der Erde lebenden Arten. Seit 1994 hat er zudem mehrere neue Instrumente zur Beurteilung des Aussterbensindex von Arten in der jüngsten Vergangenheit und in der nahen Zukunft entwickelt. Seine Arbeit beruht hauptsächlich auf dem Vergleich von Daten von jüngst ausgestorbenen Arten und Fossilien. Durch den Vergleich dieser Indizes lässt sich eine Genauigkeit in der Schätzung der ausgestorbenen Arten erreichen, die bisher unmöglich war. Seine jüngsten Studien behandeln quantitative Messungen der taxonomischen oder evolutionären Einzigartigkeit von einzelnen Arten oder Gruppen. In ihrer Gesamtheit ermöglichen seine Arbeiten eine neue “Berechnung der Biodiversität” (May), die zu einem zunehmend wichtigerem Instrument für die Planer der Artenerhaltung wird.