Sitz: Schweiz
Internationales Komitee Roten Kreuz
Balzan Preis 1996 für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern
Unter den Massenvernichtungswaffen haben die Landminen die verheerendsten Folgen. Sie treffen die Zivilbevölkerung, und hier gerade die wehrlosesten Gruppen, d.h. Kinder und die ländliche Bevölkerung. Falls sie ihre Opfer nicht sofort töten, verursachen sie schreckliche irreversible Verletzungen wie den Verlust von Gliedmassen und Verstümmelungen jeglicher Art. Der massive Einsatz von Anti-Personen-Minen hat in allen Konflikten, sowohl internationalen als auch zwischen Volksgruppen, zugenommen, auch weil sie wenig kosten und leicht im Boden, unter Strassen, in Flüssen oder Feldern verlegt werden können. Diese Minen bleiben auch noch jahrzehntelang scharf und fordern ihre Opfer, nachdem die eigentlichen Konflikte längst beigelegt sind. Man kann daher die Anti-Personen-Minen mit Recht als „terroristische Waffen“ bezeichnen.
Die internationalen Organisationen, vor allem die Vereinten Nationen, haben seit langer Zeit ein totales Verbotvon Anti-Personen-Minen vorgeschlagen. Das totale Verbot wird aber noch nicht eingehalten, da bisher nur wenige Länder die Vereinbarung ratifiziert haben.
Die humanitäre Hilfe dient dazu, die verheerenden Auswirkungen der Anti-Personen-Minen zu mildern. In den besonders stark verminten Gebieten benötigt die betroffene Bevölkerung – und das sind grösstenteils Kinder und Jugendliche – orthopädische Prothesen und Therapieprogramme, um danach ein weitgehend selbständiges Leben führen zu können. Dies ist auch eine unverzichtbare Voraussetzung für die zukünftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser von ständigen Kriegen heimgesuchten Länder.
Afghanistan ist heute eines der am höchsten verminten Länder der Welt. Im Erdreich befinden sich sowohl die Minen, die die sowjetische Besatzungsarmee hinterliess, als auch die, die später von den verschiedenen Parteien des nachfolgenden Bürgerkriegs verlegt wurden. Schrecklich verstümmelte Kinder gehören heute auf den Strassen Afghanistans zum Alltagsbild. Auf der anderen Seite ist gerade Afghanistan eines der Länder, das am meisten unter dem Mangel an internationalen Hilfsmassnahmen leidet. So wäre zum Beispiel für die Rehabilitation der an Gliedmassen Verletzten jährlich ein Betrag von zwei Millionen Schweizer Franken erforderlich. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel erreichen jedoch nur 186.000 Schweizer Franken jährlich.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist die einzige Organisation, die während aller auf afghanischem Gebiet ausgefochtenen Kriege ihre Tätigkeit aufrechterhielt. Gegenwärtig hilft es durch den Einsatz von Experten und leitet vier eigene Krankenhäuser in Afghanistan. Allein im Krankenhaus Wazir Akbar Khan in Kabul werden täglich bis zu 60 Amputationen durchgeführt. Das Krankenhaus verfügt über eine gut funktionierende orthopädische Werkstatt, die – vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz geleitet – Prothesen an die Opfer verteilt. Die Werkstatt ist zudem in der Lage, den Opfern, denen sie durch ihre Prothesen geholfen hat, eine Arbeitsmöglichkeit gerade durch die Anfertigung von Prothesen zu bieten und ihnen somit einen ersten Schritt in die Selbständigkeit zu ermöglichen.
1996 hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, zusammen mit dem Roten Halbmond (der Organisation, die Balzan-Preis 1996 in den islamischen Ländern dem Roten Kreuz entspricht), eine internationale Kampagne zur Sensibilisierung der öffentlichen Meinung hinsichtlich des Problems Anti-Personen- Minen durchgeführt.
Ein Preis, der dafür verliehen wird, dass den Opfern der Anti-Personen-Minen unter der Kontrolle des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz geholfen wird – und das vor Ort, das heisst in einer Region, die von den grossen internationalen humanitären Organisationen vergessen zu sein scheint -, hat auch das Verdienst, an die öffentliche Meinung zu appellieren: Die Preissumme, die für die Rehabilitation der Opfer bestimmt ist, stellt gleichzeitig eine entschiedene moralische und ethische Verurteilung der Anwendung von Anti-Personen-Minen dar.